Wenn der Todesfall eingetreten ist, kann man nichts mehr gestalten? Falsch!
Ein einfaches Beispiel zur Erbschaftsteuerersparnis ist die Möglichkeit einer Freistellung des Familienwohnheims der Eltern von der Erbschaftsteuer für Kinder, wenn diese dasselbe zeitnah nach dem Erbfall beziehen. Hier muss aber ohne langes Zögern gehandelt werden.
Vor allem die Möglichkeit einer Ausschlagung der Erbschaft oder eines Vermächtnisses und die Geltendmachung möglicher Pflichtteilsrechte bieten auch nach dem Eintritt des Todesfalles oft ungeahnte Gestaltungschancen für die Hinterbliebenen.
1. Ausschlagung (Zeitfenster nur 6 Wochen!)
Wird Ihnen eine Erbschaft oder ein Vermächtnis zu Teil, führt bloßes Nichtstun zur Annahme der- bzw. desselben. Sie können aber auch ausschlagen, dann werden Sie nicht Erbe oder Vermächtnisnehmer. Nach § 1944 BGB bleibt Ihnen hierzu aber nur eine Frist von sechs Wochen ab Kenntnis von dem Erbfall oder dem Vermächtnis. Kenntnis kann bei nahen Angehörigen bereits mit dem Todestag unterstellt werden.
Die Ausschlagung müssen Sie persönlich zur Niederschrift beim Nachlassgericht erklären oder bei einem Notar beurkunden lassen (§ 1945 BGB). Die Gebühr hierfür ist dieselbe, allerdings fällt beim Notar hierauf zusätzlich 19% Umsatzsteuer an.
Die Erbschaft fällt nach der Ausschlagung gemäß § 1953 BGB demjenigen an, welcher berufen sein würde, wenn der Ausschlagende zur Zeit des Erbfalls nicht gelebt hätte; der Erbanfall gilt als mit dem Erbfall erfolgt. Die Ausschlagungsfrist für die nachrückenden Erben beginnt natürlich dann erst mit Kenntnis des Erbanfalls bei diesen zu laufen.
Natürlich empfiehlt sich eine Ausschlagung primär bei einem überschuldeten Nachlass (vererbt wird nämlich nicht nur Vermögen, sondern auch Schulden). Problematisch kann hier in der Kürze der Zeit die Ermittlung des Nachlasses sein.
Aber auch in anderen Fällen kann die Ausschlagung eine sinnvolle Gestaltungsoption sein:
Beispielsweise könnte das gezielte Überspringen einer Generation zur Vermeidung mehrfacher Erbschaftsbesteuerung oder zur Nutzung von Enkelfreibeträgen von Vorteil sein.
Vorsicht: Man sollte sich vergewissern, wer nachrückt. Schlagen z.B. bei gesetzlicher Erbfolge Kinder eines verstorbenen Elternteils „zu Gunsten“ des überlebenden Elternteils aus, können Geschwister des/der Verstorbenen mit nachrücken, was in der Regel gerade nicht gewollt ist. Auch erbschaftsteuerliche Freibeträge zum Erblasser können hier verloren gehen.
Eine Ausschlagung geht nur ganz oder gar nicht, d.h. Sie können eine Erbschaft oder ein Vermächtnis nicht teilweise annehmen. Sie können aber mit den nachrückenden Erben eine Abfindung für die Ausschlagung vereinbaren.
Mit der Ausschlagung verlieren Sie im Normalfall auch Ihr Pflichtteilsrecht (s.u.). Hier gibt es aber Besonderheiten.
Wird ein überlebender Ehegatte, der mit seinem verstorbenen Ehegatten im gesetzlichen Güterstand der Zugewinnausgleich gelebt hatte, nicht Alleinerbe, bieten sich interessante Wahlmöglichkeiten:
Der längerlebende Ehegatte kann den am Pflichtteil fehlenden Rest als Zusatzpflichtteil geltend machen. Der sogenannte „große Pflichtteil“ ermittelt sich dann aus dem um den fiktiven Zugewinnausgleichsanspruch (= ¼ des Nachlasses gem. § 1371 BGB) erhöhten gesetzlichen Erbteil.
Alternativ kann der längerlebende Ehegatte ausschlagen und den güterrechtlichen Zugewinnausgleich (§§ 1373 ff. BGB) sowie daneben den sogenannten „kleinen Pflichtteil“ (§§ 1931, 2303 BGB) geltend machen. Diese Alternative drängt sich in Fällen auf, in denen der Nachlass des Erstversterbenden im Wesentlichen aus Zugewinn besteht und dieser nicht durch einen entsprechenden eigenen Zugewinn des längerlebenden Ehegatten geschmälert wird.
Sprechen Sie unbedingt mit uns, wenn Sie mit dem Instrument der Ausschlagung gestalten wollen!
2. Pflichtteilsrecht (Zeitfenster 3 Jahre)
Abkömmlingen und Ehegatten (ausnahmsweise auch Eltern bei kinderlosen Erblassern) steht ein Pflichtteilsrecht in Höhe des hälftigen gesetzlichen Erbteils zu. Der Pflichtteilsanspruch ist ein reiner Geldanspruch und richtet sich gegen den oder die Erben. Wird dieser nicht vom Berechtigten innerhalb von drei Jahren ab Ende des Jahres der Kenntniserlangung von der Entstehung geltend gemacht, können die Erben die Einrede der Verjährung erheben. Das heißt, im Einvernehmen mit den Erben kann eine Geltendmachung auch noch später erfolgen.
Eine solche einvernehmliche Pflichtteilsgeltendmachung drängt sich vor allem bei missglückten Berliner Testamenten auf, in denen der längerlebende Ehegatte zum Alleinerben nach dem erstversterbenden Ehegatten bestimmt ist und die gemeinsamen Kinder erst zu Schlusserben nach dem letztversterbenden Ehegatten.
Sind hier keine Vermächtnisse zugunsten der Kinder ausgesetzt, gehen die persönlichen erbschaftsteuerlichen Freibeträge der Kinder zum erstversterbenden Elternteil verloren und diese belaufen sich aktuell auf immerhin € 400.000 je Kind. Eine im Einvernehmen mit dem überlebenden Elternteil geltend gemachter Pflichtteil (auch eine bloß teilweise Geltendmachung begrenzt auf die Höhe des Freibetrages ist möglich) rettet diesen Freibetrag und schmälert den erbschaftsteuerpflichtigen Erwerb beim überlebenden Ehegatten und später bei den Kindern nach dem letztversterbenden Elternteil, was auch zu erheblichen Progressionsvorteilen führen kann – hier besteht also dreifaches Sparpotenzial!
Eventuelle Pflichtteilsstrafklauseln im Testament können die einvernehmliche Pflichtteilsgeltendmachung vereiteln.
Erweiterte Gestaltungsoptionen bieten sich an über eine Abfindung für den Verzicht auf die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs. Dies vor allem für die Fälle, dass eine Erfüllung des Geldanspruchs mangels Liquidität an Erfüllung statt durch ein Grundstück erfolgen müsste – es fiele sonst unnötig Grunderwerbsteuer an.
Sprechen Sie unbedingt mit uns, wenn Sie mit dem Instrumentarium des Pflichtteilsrechts gestalten wollen!
Wichtig: Typischerweise hat man beim Erbfall nur die Erbschaftsteuer im Blick. Wir denken weiter und verlieren Ertragsteuern und Verkehrssteuern wie vor allem die Grunderwerbsteuer nicht aus dem Auge. Dies gilt ebenfalls im Hinblick auf eine spätere Erbauseinandersetzung.